Sachspendenaktion 27./28.11.2020


Während wir in Deutschland entspannte Weihnachtstage mit unseren Familien verbracht haben, hat sich die Situation auf Lesbos wie erwartet weiter zugespitzt. In dem nach dem Brand von Moria provisorisch errichteten Lager “Kara Tepe” setzt der kalte Winter den Geflüchteten besonders zu. Heftige Regenfälle überfluten regelmäßig die unbefestigten, wind- und kältedurchlässigen Zelte, sodass die Menschen in Schlamm und Wasser schlafen müssen. Laut einem Bericht der Hilfsorganisation “Ärzte ohne Grenzen” haben sich inzwischen auch Ratten im Camp eingenistet, die die Menschen nachts anfallen und die traumatischen Erfahrungen vor Ort noch verstärken. Besonders Kinder leiden unter den absolut unmenschlichen Zuständen und müssen zunehmend wegen Panikattacken und Selbstmordgedanken behandelt werden.

Abgesehen von einem festen Dach über dem Kopf, Heizungen und fließend Wasser fehlt  den Menschen auch ausreichend warme Kleidung in diesem immer härter werdenden Winter. Die Aktion Seebrücke Passau, die sich für die Rechte geflüchteter Menschen und die Legalisierung von Seenotrettung einsetzt, hat deshalb Ende November eine Spendenaktion gestartet, bei der Kleidung, Schuhe und Hygieneartikel gesammelt wurden. „Uns war es ein großes Anliegen, nicht nur an das Handeln der Politik zu plädieren, sondern selbst etwas an der Situation zu verändern. Solange Innenminister Horst Seehofer und die Bundesregierung nicht bereit sind zu handeln und eine Evakuierung des Lagers und die Aufnahme weiterer Geflüchteter verweigern, müssen wir als Zivilgesellschaft in Aktion treten“, zeigt sich Malena Rachals, Mitorganisatorin der Aktion Seebrücke, entschlossen.

Die Spendenaktion war schon die zweite ihrer Art. Nachdem beim ersten Sammeltermin bereits 18 Kisten mit Sachspenden zusammenkamen, waren die Aktivist*innen umso überwältigter über die 90 Kisten, die sich dieses Mal am Ende stapelten. „Die Passauer*innen haben an diesem Wochenende vollste Solidarität und die Bereitschaft, Menschen in Not zu helfen, gezeigt. Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft brachten liebevoll hergerichtete Kinderkleidung, neu gekaufte Hygieneartikel und weihnachtlich verpackte Winterjacken zum Sammelort. Keller und Dachböden wurden nach warmer Kleidung durchsucht und wer nichts fand, fuhr noch zum nächsten Geschäft, um Socken, Pullover und Mützen zu besorgen“, so die Mitorganisatorin Susanna Lindlein sichtlich berührt von der Menschlichkeit und Nächstenliebe der Passauer*innen. Ob es nun ein ganzer Kofferraum voll mit Kleidung und Hygieneartikeln war oder ein kleiner Rucksack, jeder gab, was er oder sie geben konnte, und jedes Teil war in einwandfreiem Zustand und sorgfältig ausgewählt, berichten die Aktivist*innen.

Besonders an dem Novemberwochenende der Aktion, als die Corona-Zahlen in Passau einen neuen Höchststand erreicht hatten, war es wichtig, dass das Corona-Hygienekonzept der Aktion Seebrücke gut ausgearbeitet war. Der Sicherheitsabstand wurde aufgrund der Bodenmarkierungen ausnahmslos eingehalten, alle spendenden Menschen trugen sich bereitwillig in die Kontaktlisten ein und kamen mit Mund-Nase-Bedeckung an den Sammelort in den Gisela-Schulen Passau Niedernburg in der Altstadt.

An diese richten die Organisator*innen einen besonderen Dank. Vertreten durch den neuen Schuldirektor Herrn Dr. Eberhardt, stellte die Schule bereitwillig ihre Räumlichkeiten zur Verfügung, ohne die die Aktion gar nicht erst möglich gewesen wäre.

Nach genauerer Sortierung konnten die Sachspenden sicher zum Kooperationspartner “Space Eye e.V.” nach Regensburg gebracht werden. Von dort wurden sie am 23. Dezember zusammen mit Spenden weiterer Organisationen in großen Lastwagen nach Griechenland transportiert. Bei “Attika Human Support”, dem größten Sammelzentrum auf der Insel Lesbos, werden die gesammelten Sachgüter anschließend in spezielle Kategorien eingeteilt und entsprechend ihres Bedarfs an die verschiedenen Organisationen vor Ort ausgehändigt. Diese verteilen die Sachgüter weiter an die Geflüchteten vor Ort und stellen sicher, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird. 

„Es war wunderbar zu sehen, wie Menschen plötzlich an einem Strang ziehen, wenn Not am Mann ist“, so Mitorganisator Christopher Zehetbauer abschließend. „Was wir jedoch nicht vergessen dürfen, ist, dass Spenden keine dauerhafte Lösung der Situation an den europäischen Außengrenzen darstellen. Wir brauchen eine Einigung in der Verteilungsfrage der Geflüchteten sowie eine klare Haltung unserer Bundesregierung, die auf die Einhaltung der Menschenrechte setzt und der unmenschlichen Behandlung Geflüchteter an den europäischen Außengrenzen ein Ende macht. Solange dies jedoch noch nicht in Sicht ist, werden wir weiter Spendenaktionen wie diese brauchen, um den Menschen in den Lagern so weit es uns möglich ist, zu helfen.“ Weitere Sammelaktionen durch die Seebrücke Passau sind deshalb in Planung und sollen so bald wie möglich bekanntgegeben werden.