24.02.2025: Aufbau der Ausstellung Flucht nach Europa der Seebrücke Passau. Intensiv haben die Mitglieder der Seebrücke Passau daran gearbeitet, Folien zu dem Thema Flucht zu recherchieren und zu designen; zu den Hintergründen von Flucht, Zahlen und Fakten, persönlichen Geschichten, der Seenotrettung und der aktuellen Debatte und Rhetorik zur Migration vor der Bundestagswahl. Gleichzeitig haben sie seit Wochen Boote gefaltet, die in den darauffolgenden Tagen zu einer Installation in der Ausstellung aufgehangen werden sollen. Jedes Boot steht dabei für einen der 3530 Menschen, die 2024 im Mittelmeer gestorben oder vermisst sind.
Nicht einmal 24h später werden Teile der lang geplanten Ausstellung schon nicht mehr hängen. Kritisiert wird z.B. die Einseitigkeit der Sichtweisen, die Darstellung „kontextlose[r] Zitate der Politiker“ und die Verharmlosung der „strafrechtlich relevante[n] Beihilfe zur illegalen Einreise“. Die Leitung der Uni Zentralbibliothek beruft sich auf die vorgeschriebene Meinungsneutralität von Hochschulen und dem Verbot jeglicher Werbung für politische Parteien (§31 AGO). Die Plakate werden ohne das Wissen der Seebrücke Passau abgehangen. Erst einige Stunden später fällt es einem Mitglied auf, worauf bei der Zentralbibliothek nachgefragt wird. Die obige Kritik bekommt die Seebrücke einige Tage später zugeschickt und es wird ein Gespräch mit der Bibliotheksleitung vereinbart. „Die Kritik ist für uns nicht nachvollziehbar, denn die Zitate werden mit einem informativen Text zu Migrationsrhetorik kontextualisiert und auf einem anderen Plakat geht es um die rechtlichen Bedingungen der Seenotrettung und nicht um die Verharmlosung der Beihilfe zu illegaler Einreise.“ sagt eine Studentin der Hochschulgruppe.
Das Gespräch eine Woche später mit drei Mitgliedern der Seebrücke Passau und der Leitung der Universitätsbibliothek ist für die Hochschulgruppe nicht zufriedenstellend. Inhaltlich kann die Bibliotheksleitung nur sehr wenige konkrete Stellen an den Plakaten hervorheben, die kritisiert werden und es herrscht von der Seite der Leitung keine Kompromissoffenheit, obwohl mehrmals nachgefragt wird, was denn konkret geändert werden müsse. Dieses sehr unangenehme Gespräch für die Mitglieder veranlasst die Seebrücke Passau, die Ausstellung am nächsten Tag komplett abzuhängen. „Eine weitere Kooperation wollten wir nach diesem Gespräch nicht mehr eingehen“, meint ein Mitglied.
Die Seebrücke Passau ist sehr enttäuscht über diese Entwicklung. Auch wenn die Bibliotheksleitung ein Hausrecht habe und sich auf das Neutralitätsgebot beziehe, verweigere sie durch die Entscheidung des Abhängens der Plakate die Führung des Diskurses in der Universitätsbibliothek. „Unis waren noch nie neutral und schon immer politisch und gesellschaftlich geprägt im Universitätsalltag als auch in der Raumgebung für Podiumsdiskussionen und unterschiedliche Veranstaltungen zu aktuellen Themen“, meint ein Mitglied der Seebrücke Passau.
Die Seebrücke äußert Bedenken, dass durch diese Entwicklung der Diskurs um Migrationspolitik eingeschränkt werde. „Das könnte auch andere abschrecken, wichtige Themen in der Zentralbibliothek auszustellen“, bedenkt ein Mitglied der Hochschulgruppe.
Die Seebrücke Passau wird sich nun einen neuen Raum suchen, um die Ausstellung zu zeigen, damit bald wieder die komplette Ausstellung Flucht nach Europa in Passau zu sehen ist. Denn eines ist ganz klar: „Den Diskurs und Dialog nicht zu führen ist keine Option. Flucht nach Europa, die Hintergründe von Flucht und das tägliche Massensterben von Menschen im Mittelmeer müssen angesprochen werden und sichtbar sein. Die politischen Debatten können die Menschen, die flüchten, mit ihrer Rhetorik vielleicht verdecken und verallgemeinern wollen, aber hinter jedem Boot, hinter jeder:m Geflüchteter:m steckt ein Mensch mit Träumen, Hoffnungen, Wünschen und Zielen.“